Kleine Geschichte des Handwerks

Wurden bis in das vierte Jahrhundert hinein beispielsweise noch die Getreidekörner mit der Hand zwischen Steinen gemahlen, so traten im 5./6. Jahrhundert langsam die ersten gewerbsmäßigen Müller auf. Auch Schmiede, Wagner, Zimmerleute und andere Bauhandwerker waren nun tätig. Unter Karl dem Großen wurde es mehr und mehr üblich, Handwerker gezielt heranzubilden. In seinen Verordnungen ist von Bäckern, Schuhmachern, Schmieden, Drechslern und Seifensiedern die Rede, denn von nun an mussten die Vorsteher der Höfe über die Entwicklung des Handwerks in ihrem Bereich Rechenschaft ablegen.

Pflegestätten des Handwerks wurden im 11. und 12. Jahrhundert die Klöster, die in ihren Werkstätten einzigartige Arbeiten verrichteten. Man denke nur an die Buchdrucker und -binder, die Brauer, Gärtner oder Baumeister.

Auch in der Eifel gelangte das mittelalterliche Handwerk zu großer Blüte. Es ist fast selbstverständlich, daß sich im Land der Klöster und Burgen ein gewerbefleißiges Handwerkertum heranbildete. Exemplarisch seien im folgenden einige Berufe genannt:

Erste Metzger und Bäcker waren zumeist auf den Höfen der Adeligen und in Klosterbetrieben tätig, arbeiteten aber auch für den freien Verkauf. Lohnschlächter waren überall unterwegs, Marktleute boten Eifeler Geflügel und Wildbret an. Auch in den klösterlichen Gärten und Bungerten gab es zur Erntezeit verstärkt Handel mit selbstgefertigten oder geernteten Produkten aus Eifeler Landen. Abnehmer waren vor allem die peripheren Großstädte wie Köln (40.000 Einwohner), Koblenz oder Aachen.

Arbeitsgrundlage der Weber waren Wolle, Flachs und Hanf. Sie schufen in der Hauptsache grobes Tuch, welches zumeist in Köln un d in Trier veredelt und gefärbt wurde. Beutler, Taschen- und Handschuhmacher, Riemer und Kummetmacher fertigten ihre Waren in kleinen heimischen Werkstätten und veräußerten sie per Hausierhandel in den Dörfern. Die Kürschner trugen bereits früh dazu bei, daß der Pelz aus Kaninchen-, Lamm- oder Fuchsfell zu einem Standessymbol wurde.

Tischler, zunächst Kistner genannt, sorgten für einfache Möbel wie Bänke, Betten und Truhen. Da es noch keine Statuten gab, machte jeder alles, Schreiner, Schnittler, Drechsler und Zimmerleute grenzten sich nur selten voneinander ab.

Döppebäcker standen in einer besonderen Gunst, denn keiner konnte auf ihre Waren verzichten. Das Steingefäß wurde in jedem bäuerlichen Haus benötigt, vor allem, um Milch und Rahm zu lagern. Die Eifel wurde mit den Zentren Raeren, Speicher und und Frechen/Brühl das Töpferland.

Aus ehemaligen Kleinbauern entwickelten sich zahlreiche Berufe und Teilberufe, die unmittelbar mit der Landwirtschaft zusammenhängende Erzeugnisse schufen. Dazu gehörten Wagner (Stellmacher), Schmiede, Kärrner oder Sattler.

Schon früh gab es eine Reihe von Handwerkern, die mit dem Hausbau zu tun hatten. Da es in der Eifel zuvorderst Fachwerkhäuser gab, waren Zimmerleute, Lehmstreicher (Maurer gab es noch nicht), Stroh- und Leyendecker (Bleiwürmer) am Werk, um eine Behausung zu schaffen. Sie alle hatten mit landschaftstypischen Materialien wie Holz, Schiefer oder Lehm zu tun, die es fast direkt um die Ecke überall gab.

Wappensticker, Sattelmacher, Glaswörter, Holzschnitzer schufen Dekorationen, Schilder, Gemälde, Waffenröcke und Andachtsbilder, galten als besonders angesehen und waren fast den Kunsthandwerkern zuzuordnen.

Eher dem Dienstleistungsgewerbe zuzuordnen waren die Berufes des Barbiers, des Heilers oder des Boten, die im Hausverkehr tätig waren. Vor allem der Barbier hatte nicht nur Haare zu scheren, sondern auch das Aderlassen, ja sogar das Operieren gehörte zu seinen Tätigkeiten. Den Heiler konsultierte man – oft waren abergläubische Vorstellungen im Spiel – bei Krankheitsfragen aller Art.

Ansätze erster organisierter zunftähnlicher Gemeinschaften gibt es in den Städten seit dem 12. Jahrhundert, in den Landgemeinden etwas später. Oftmals waren solche Zusammenschlüsse religiös begründet (Bruderschaften): man führte einen Heiligen als Schutzpatron, hatte in den Kirchen eigene Altäre und forderte in den Statuten brüderliche Liebe, Werke der Hilfsbereitschaft und immer wieder Beten. Im Mittelpunkt der Bruderschaften stand die gute Sitte und die Unterstützung der Verarmten und Zurückgebliebenen.

Ein Meister arbeitete mit Gesellen und Lehrlingen. Es durften jedoch nie mehr als zwei Gesellen und ein Lehrling sein, um eine Ausbeutung zu vermeiden. Mit Hand und Mund musste der Lehrling geloben, sich aufrichtig und ehrlich zu benehmen und seinem Handwerk keine Schande zu bereiten. Der Lehrherr seinerseits stellte Wohnung und Essen, musste seinen Zögling zum Beten und Kirchgang anhalten und konnte ihn auch züchtigen. Nach drei- bis vierjähriger Lehrzeit wurde der junge Knecht von den Meistern und Gesellen losgesprochen - ein alter Brauch, der sich bei einigen Berufen bis heute erhalten hat. Zum Brauchtum der Handwerker gehörte es bis in das 19. Jahrhundert, ein Werkzeug seines Standes in der Öffentlichkeit mit sich zu tragen. So trug der Tischler das Winkelmaß, der Böttcher einen Schlegel oder der Schuhmacher einen Penn mit sich herum. Nicht ehrhaftes Auftreten wurde mit einem Strafbier geahnt, in schlimmeren Fällen wie Fehlen oder Verstoß gegen die Hausordnung mit einigen Albus.

Zur Weiterbildung zogen Gesellen vielfach umher. Die Wanderzeit betrug nicht selten vier bis fünf Jahre. Wer dann zurückkehrte, war geschätzt und konnte sich als Vorsteher einer Zunft bewerben. Wer das Gesellenwandern ablehnte, erhielt den Titel Gnadenmeister statt Zunftmeister und musste gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen.

In Chroniken des Erftkreises ist überliefert, wie ein Meisterstück auszusehen hatte: So mussten Schneider Rock, Hose, Wams und Mantel anfertigen, Tischler fertigten eine Truhe, Drechsler eine Pfeffermühle, Maurer ein Gewölbe oder einen Rauchfang. Schmiede mussten ein Pferd beschlagen und Metzger ein Schwein in vollem Lauf totschlagen.

Im Jahre 1500 sind im Bereich des heutigen Erftkreises folgende Handwerksberufe aufgeführt:

Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker, Schmiede, Schlosser, Leineweber, Drechsler, Bäcker, Metzger, Töpfer, Wagner, Kesselschmiede, Barbiere, Kuchenbäcker, Färber, Gürtler, Kürschner, Goldschmiede, Pfannenschmiede, Kistenmacher, Sattler, Schwertfeger, Messerschmiede und Brauer.

Man kann davon ausgehen, daß die Berufe überall in der Eifel vertreten waren. Je nach Rohstoffen und Lage kamen weitere hinzu, wie z.B. Tuchmacher in Monschau, Gerber in Prüm, Drahtwarenhersteller in Neroth oder Bergarbeiter in Mechernich.

350 Jahre später gab es im Prümer Land folgende Berufe bzw. Betriebe/Händler:

44 Bäcker, 1 Kuchenbäcker, 20 Fleischer, 1 Seifensieder, 45 Gerber, 188 Schuhmacher, 1 Handschuhmacher, 1 Kürschner, 11 Riemer und Sattler, 5 Putzmacherinnen, 1 Bürstenbinder, 2 Hutmacher, 8 Tuchscherer, 12 Färber, 20 Zimmerleute, 60 Rad- und Stellmacher, 7 Böttcher, 1 Drechsler, 3 Kammacher, 4 Korbmacher, 12 Maurer, 5 Maurerflickarbeiter, 10 Schieferdecker, 3 Steinmetzen und -hauer, 5 Steinsetzer, 4 Schornsteinfeger, 5 Töpfer, 14 Glaser, 9 Zimmer- und Schildermaler, 70 Grobschmiede, 50 Schlosser, 3 Kupferschmiede, 1 Zinngießer, 9 Klempner, 5 Uhrmacher, 2 Gold- und Silberarbeiter, 6 Barbiere, 2 Fischer, 1 Buchbinder, 7 Kohlenbrenner, 4 Strohdecker, 6 Wollspinner, 1 Buchdrucker, 2 lithographische Anstalten, 1 Buchhändler, 2 Weinhändler, 10 Getreidehändler, 1 Holzhändler, 1 Wollhändler, 11 Ausschnitthändler, 6 Eisenhändler, 78 Krämer, 10 Höcker, 28 Hausierer, 20 Fuhrleute (mit 31 Pferden).

Als Fabrikationsanstalten wurden genannt:

1 Sinnmaschine mit 160 Spindeln zu Kammgarn, 5 Webstühle zu Leinwand, 19 Webstühle zu wollenen Tüchern, 1094 Webstühle zu Leinwand (Nebenbeschäftigung), 4 Färbereien, 2 Zeugdruckereien, 81 Wassermühlen mit 118 Beschäftigten, 12 Ölmühlen, 6 Lohmühlen, 16 Sägemühlen, 1 Eisenwerk mit 1 Hochofen und 1 Frischfeuer, 6 Siedereien, 61 Kalkbrennereien, 10 Bierbrauereien, 3 Branntweinbrennereien, 2 Sestilieranstalten, 15 Gasthöfe für die gebildeten Stände, 48 Ausspannungen, 147 Schenkwirte, 5 Musikanten, 1271 Tagelöhner, 1029 Knechte, 54 Dienerinnen und 1077 Mägde.

(Aufstellung nach Museum Prüm, Herr F.J. Faas).

Was das Handwerk auf dem Lande anging, so herrschte die Lohnarbeit vor: Kunden gaben den Handwerkern die Aufträge und stellten das Material: Holz für den Tischler, Flachs für die Webereien, Steinblöcke für das Mühlrad. …

Joachim Schröder Kleine Geschichte des Handwerks